Vor 502 Jahren machte ein Mönch aus Wittenberg eine Entdeckung, die nicht nur sein Leben verändert hat, sondern eine ganze Gesellschaft.

Vielleicht haben Sie in den Gäufeldener Nachrichten schon die Zeichnung entdeckt: Wir sehen darauf Luther im Gefängnis, gefesselt an Händen und Füßen. Ein Gefängnis, das andere vor ihm nicht verlassen konnten und dort ihr Leben gelassen haben. Und mitten in diesem Gefängnis, wie ein Lichtblick – die Befreiung. Die Bibel gibt dem gefangenen Luther die Schlüssel in die Hand, die ihn von seinen Ketten befreien.

Ich habe dieses Bild zu einem ganz bestimmten Bibeltext gezeichnet. Im Johannesevangelium heißt es in Kapitel 8, in den Versen 31-36:

31 Da sprach nun Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten:

 „Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger 

32 und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“

33 Da antworteten sie ihm: „Wir sind Abrahams Nachkommen und sind niemals jemandes Knecht gewesen. Wie sprichst du dann: Ihr sollt frei werden?“ 

34 Jesus antwortete ihnen und sprach:
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht.“ 

35 Der Knecht aber bleibt nicht ewig im Haus; der Sohn bleibt ewig. 

36 Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.

– Herr, segne dein Wort an deiner Gemeinde. –

Jesus erhebt einen unglaublichen Anspruch. Mein Wort, das was ich euch sage, das was ihr bei mir lernt, das lässt euch die Wahrheit erkennen. Und mit der Wahrheit eine unglaubliche Freiheit. Das ist die Spur, der Luther gefolgt ist.

Was viele ja bis heute an Luther beeindruckt, ist der Freimut, die innere Freiheit, mit der er allen die Stirn geboten hat. Er hielt an dem fest, was er aus der Bibel heraus als Wahrheit erkannt hat. Eine Wahrheit, die gerade in der Kirche verdrängt, vergessen und an den Rand gedrängt worden ist. Weil die Kirche seiner Zeit eben nicht bei Jesus und seinem Wort geblieben ist, sondern sich eigene Traditionen ausgedacht hat.

Auch für die Kirche gilt: Sie bleibt nur dann bei der Wahrheit, sie führt nur dann in die Freiheit, wenn sie ganz dicht bei Jesus und seinem Wort bleibt. Wo sie sich auf ihre Macht, ihre Tradition, ihr eigenes Vermögen verlässt, da dient sie nicht Gott, sondern der Sünde – man kann auch sagen: Da lässt sie die Menschen in den Lügen ihres Lebens.

Luther kämpfte gegen diese Lebenslügen. Würden wir ihn heute fragen: Was sind denn diese Lebenslügen, worin besteht denn die Sünde heute für uns? Wovon müssen wir uns heute befreien? – Was würde er wohl antworten?

Von welchen Lebenslügen müssen wir uns heute befreien?

Auf dem Bild habe ich verschiedene Ketten gezeichnet. Und ich kann mir vorstellen, dass Luther sagen würde: Die Eisenklammer auf deiner rechten Seite, das ist die Lüge, die dir verspricht: Du kannst alles erreichen, wenn Du dich nur genügend anstrengst. Du musst es mit aller Kraft wollen und dann kannst du es schaffen, gesund zu sein, glücklich zu sein, reich zu werden und geliebt zu sein!

Aber wehe dir, du versagst. Dann ist es auch alleine deine Schuld.

Dann hast du nicht genügend gekämpft, hast dich nicht gut genug ernährt, zu wenig Sport getrieben, zu wenig geübt, zu wenig gelernt, zu wenig aus dir gemacht!

Das genaue Gegenteil, die Eisenklammer auf der linken Seite, die andere Lebenslüge sagt: Es hat ohnehin keinen Wert. Du kannst nichts erreichen. Du bist festgelegt in dem, was du tust, alles ist vom Schicksal vorherbestimmt. Deine Gene legen fest, wie alt du wirst, wie klug du bist, dein Elternhaus, dein Umfeld prägt dich so stark, dass du nie aus deiner Haut kannst. Du spulst ein Programm herunter, das du nur minimal verändern kannst. Du bist, wie du bist, und du kannst nichts daran ändern.

Du kannst nichts verändern – oder: du kannst alles verändern – das sind die beiden Extreme unserer Lebenslügen, und die befreiende Wahrheit liegt eben nicht einfach irgendwo in der Mitte, so nach dem Motto: Wir machen halt, was geht und dann schauen wir mal, wie viel Freiheit wir zwischen den beiden Extremen haben.

Denn da ist ja noch die dritte Kette, die schwere Eisenkugel, auf der der Zweifel sitzt, der an dir nagt, der Zweifel, der sagt: Am Ende ist es ohnehin egal, ob du alles erreichst, was du willst oder ob du nichts erreichst. Am Ende wirst du wieder zu Staub. Du musst sterben wie jeder andere Mensch auch und was du erreichst oder nicht erreichst, was du veränderst oder nicht veränderst – am Ende ist alles egal.

Jesus sagt, dass sein Wort befreit, seine Wahrheit uns aus diesen Ketten löst. Wer schon gezählt hat, der hat entdeckt, dass es genau vier Schlüssel sind, vier Schlüsselwahrheiten, die Luther wiederentdeckt hat.

Luther hat vier Schlüsselwahrheiten wiederentdeckt.

Der erste und wichtigste Schlüssel heißt: Jesus allein. Sein Name ist Programm, Jesus heißt übersetzt: Gott rettet. Er lässt uns nicht zwischen den Ketten hängen. Und am Ende ist für unsere Freiheit nicht entscheidend, was wir tun können oder nicht tun können, sondern am Ende zählt alleine, wer Jesus ist und was er für uns getan hat.

Und dazu gehört der zweite Schlüssel: Die Schrift allein. Und das meint nicht nur die Evangelien, sondern die ganze Heilige Schrift. Denn Jesus behauptet: Die ganze Schrift erzählt von ihm, auch die Schriften Israels. „Sie ist es, die von mir zeugt“ – und er sagt: „Nicht ein i-Tüpfelchen, nicht ein Jota wird von dieser Schrift vergehen, bis alles geschieht, was verheißen ist.“ Als Jesus von den Toten auferstand, legte er seinen Jüngern die Schrift aus. Auf dem Weg nach Emmaus, als sie verzweifelt waren, machte er als erstes eine Bibelstunde – anhand des Alten Testaments, anhand der Heiligen Schriften Israels. Er legte ihnen aus, warum der Christus, der Sohn Gottes am Kreuz sterben musste. Vom ersten Buch Mose bis zur Offenbarung erzählt uns die Bibel, wie sehr Gott uns Menschen liebt.

Und deshalb heißt der dritte Schlüssel: Allein die Gnade. Das Wichtigste was wir erreichen können, hat Gott uns schon lange geschenkt, das hat Jesus für uns getan. Das müssen wir nicht verdienen, nicht erarbeiten, sondern das geht unserem Leben voraus. Das können wir auch nicht verlieren. Es ist dieses Geschenk, dass Gott zu jedem hier sagt: Du bist mein geliebtes Kind – und du wirst es bleiben, egal was du erreichst, egal, welche Fehler du machst. Meine Liebe zu dir ist größer als alles, was du erreichen kannst, und sie ist größer als alle Fehler, als alle Schuld, die du auf dich laden kannst.

Und der letzte Schlüssel heißt: Allein der Glaube. Vertraue diesem Wort, vertraue trotz allem darauf. Vertraue mir, dass ich in den schlimmsten Stunden deines Lebens an deiner Seite bin, vertraue darauf, dass ich das Zerbrochene wieder ganz machen kann, dass ich mir etwas dabei gedacht habe. Ich bringe wieder, was du verloren hast. Vertraue mir, dass der Tod nicht das Ende ist. Mein Liebe ist stärker als der Tod.

Meine Frau und ich haben vor unserem Umzug  einiges in unserem Haus umgeräumt und dabei auch ausgemistet. Alte Ordner aussortiert, nicht mehr Gebrauchtes weggeworfen. Dabei fiel mir eine alte Überweisung in die Hand aus dem Sommer 1987. Ich wusste nicht einmal mehr, dass es diese Überweisung noch gibt.

Nun braucht man kein Experte zu sein, um zu wissen: Das interessiert kein Finanzamt mehr. Den alten Wisch könnte man einfach entsorgen. Ich habe diesen Zettel aufgehoben, weil er das einzige schriftliche Erinnerungsstück Stück an mein eigenes kleines Reformationsjubiläum ist. Mit dieser Überweisung haben wir damals eine Freizeit bezahlt, ein Jungschar-Zeltlager.

Denn seit diesem Sommer 1987 lese ich regelmäßig in der Bibel. Damals, gab es Menschen, Jugendmitarbeiter, die mich als Dreizehnjährigen auf dieser Freizeit ganz konkret gefragt haben: Wer ist Jesus für dich? Weißt du, was er für dich getan hat? Und das hat mich seither nicht mehr losgelassen.

Ich lese seit über dreißig Jahren immer wieder die Bibel, weil ich seit damals wissen will, ob das stimmt, ob ich diesem Jesus mein Leben vertrauen kann, ob er mein Halt im Leben und im Sterben ist.

Und ich habe in diesen dreißig Jahren erkannt, wie sehr ich darauf angewiesen bin, dass ich einen habe, der mir meine Sünden vergibt. Der mich rettet. Der meine tiefen Verletzungen heilt, die Wunden, die das Leben mir schlägt, der mich tröstet und aus einem verzagten Herzen wieder ein frohes Herz macht.

Es ist keine einfache Wahrheit, die mir bei ihm begegnet. Sein Wort mutet mir zu, meine Feinde zu lieben und sie zu segnen, wenn ich echten Frieden haben will. Böses nicht mit Bösem zu vergelten. Zu dieser Wahrheit gehört auch, dass Jesus uns darauf vorbereitet, dass Menschen alleine deshalb misshandelt und umgebracht werden, weil sei seinen Namen tragen und auf sein Wort hören.

Und ich staune, mit welchem Freimut und in welcher Freiheit sich Christen trotz allem an diesem Wort festhalten. Gerade bei ihnen lerne ich ganz neu, wie wertvoll dieser Schatz ist.

Feiern Sie ihr eigenes kleines Reformationsfest.

Vielleicht lesen sie ja auch schon seit Jahren regelmäßig in der Bibel und können das alles unterstreichen und kennen das selbst. Aber vielleicht steht ja beim einen oder andern die Bibel schon länger nur noch im Regal oder auf dem Nachttisch. In diesem Fall lade ich Sie herzlich ein: Feiern Sie ihr eigenes kleines Reformationsfest, indem sie diesen Schatz ganz neu entdecken. Fangen Sie einfach mal wieder mit dem Matthäusevangelium an. Achten Sie auf das, was von Jesus gesagt ist und was er uns sagt – und seien sie gespannt, was er in ihrem Leben verändert.

Amen.