Predigttext und Predigt zu Matthäus 5,13-16

Liebe Festgemeinde, liebe Bläser,

„Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt“ – dieses Lied und diesen Bibelvers habt ihr euch als Grundlage für euren Festtag ausgesucht.

Salz sein – das bedeutet einen Unterschied machen. Schon eine kleine Menge macht einen großen Unterschied. Nicht nur in der Suppe. Salz wurde zu biblischen Zeiten nicht nur als Gewürz benutzt, sondern vor allem auch, um den Boden zu salzen, um ihn fruchtbarer zu machen, reicher an Mineralien. Und so war es mit den Bläsern oft auch: eine kleine Menge, die aber einen großen Unterschied in der Gemeinde machte.

Wir haben es gehört, wie unser Chor sich aus kleinen Anfängen entwickelt hat, wie es immer wieder auch Durstrecken gab. Und doch macht es einen Unterschied, wenn der Posaunenchor dabei ist, bis heute. Es macht einen Unterschied zu sehen, wie viele von euch über Jahrzehnte sich einbringen, Woche für Woche üben und im Gottesdienst zusammenkommen, um Gott zu loben. Es macht einen Unterschied, die Lieder von euch begleitet zu hören, sie anders zu hören als von der Orgel oder von einer Band.

Und der große Vorteil eures Chores ist ja, dass er überall spielen kann, ganz ohne Strom. Beim Gottesdienst im Grünen vor wenigen Wochen haben wir das erst wieder erleben dürfen. Eure Musik- das ist die Salzkraft, das besondere Etwas, das dem Gottesdienst und dem gemeinsamen Singen die Würze gibt – zur Ehre Gottes und den Menschen zur Freude.

Anders als beim Salz gilt aber bei euch: Mehr schadet nicht. Reinhold Lehmann hat berichtet, wie der Landesposaunentag in Ulm die Chormitglieder immer wieder beeindruckt und ermutigt hat. Die Bläser sind eben nicht nur eine kleine Herde, auch wenn es manchmal so aussieht. Die Bläserfamilie in unserer Kirche ist groß, und wenn in Ulm beim Landesposaunentag alle zusammenkommen, hat das eine gewaltige Ausstrahlung.

Ihr seid das Licht der Welt – so sagt es Jesus zu allen, die ihm nachfolgen. Er sagt nicht: „Ihr sollt es sein, ihr müsst euch besonders anstrengen, um besonders hell zu sein.“ Sondern er sagt: „Ihr seid es. So wie ihr es jetzt seid. So unvollkommen wie Petrus, so zweifelnd wie Thomas, so unterschiedlich wie Maria und Martha – ihr seid das Licht der Welt.“

Ihr seid Wegweiser in einer Gesellschaft, die nach Orientierung sucht – weil ihr nach dem Herrn und Heiland der Welt fragt. Ihr seid Leuchtfeuer, die vor den Klippen und Abgründen des Lebens warnen. Ihr seid das Licht, das den Weg zeigt. Ihr gebt Menschen Hoffnung, die im Dunkeln sind.

Das ist ein Geschenk, das wir in uns tragen, wo Christus in unserer Mitte ist, wo sein Geist uns erfüllt. Wo Menschen spüren: Ich muss mich nicht verstellen, ich darf sein, wer ich bin. Ich darf mich einbringen mit meinen Gaben und ich werde beschenkt von anderen und niemand fragt, ob das, was ich geben kann, mehr ist als das, was ich bekomme.

Unsere Gemeinde, aber auch der Posaunenchor lebt von Menschen, die sich das zusprechen lassen, dass sie Salz und Licht sind.

Ich fände es spannend, wenn wir Johannes Maurer heute fragen könnten: Warum hast Du damals, 1924, einen Posaunenchor gegründet? Denn was uns heute so vertraut ist, war damals innovativ in der Kirche, es war jung und wild, zumindest jung 🙂 – nicht umsonst ist die Posaunenarbeit bis heute beim Evangelischen Jugendwerk angesiedelt.

Und vielleicht gab es auch hier im Dorf manche die zu ihm gesagt haben: „Was soll das denn? Wir haben doch in der Kirche eine wunderbare Orgel und einen Kirchenchor. Eine Blaskapelle, die uns den Marsch bläst – das brauchen wir nicht.“ Manche ehemaligen Soldaten erinnerte es vielleicht auch zu an Kriegsmusik. Oder andere sagten: „Haben wir jetzt auch eine Abteilung der Heilsarmee in Öschelbronn? Dieses neumodische Zeug und die Lieder, wo doch auch vieles aus England herüber kommt – das brauchen wir doch alles nicht hier im ‚Deutschen Reich'“?.

Und vielleicht hätte Johannes Maurer geantwortet: „Wir wollen, dass das Lob Gottes auch in den Straßen und Gassen erklingt.“ Es war sicher kein Zufall, dass nach dem zweiten Weltkrieg der erste Einsatz vom Kirchturm aus geblasen wurde und dann wenig später als Kurrende-Bläser, nicht zuletzt bei den Alten und Kranken.

Die Glocken laden zum Gebet, aber der Posaunenchor lädt ein zum Mitsingen, die alten Choräle genauso wie die neuen Lieder. Diese Musik, ihre Texte und Lieder, haben Salzkraft und Leuchtkraft. Wenn im Alter oder bei Krankheit der Glaube fad wird, regelrecht ausgelaugt, wenn einem die Welt dunkelt erscheint, dann sind es gerade die vertrauten Lieder und Melodien, die einem ausgelaugten Glauben neue Kraft geben und die die Augen wieder strahlen lassen.

Und vielleicht hätte Johannes Maurer auch gesagt: „Wir wollen, dass auch die Jungen schon früh an das Lob Gottes herangeführt werden.“ Auch wenn wir hier in Öschelbronn uns aktuell mit der Nachwuchsarbeit schwertun: Die Posaunenarbeit war und ist in weiten Teilen unserer Landeskirche einer der wenigen Orte, wo geistliche Arbeit wirklich generationenübergreifend geschieht und wo die Alten mit den Jungen Gemeinschaft erleben.

Und es gibt ja durchaus zwei Perspektiven, auf die aktuelle Situation zu schauen: Wir können trauern darüber, dass wir aktuell keine Jungbläser mehr haben oder wir können dankbar sein, wie viele in den letzten Jahren zumindest für ein paar Jahre geprägt wurden – wie viel, das können wir gar nicht ermessen. Und ich wünsche mir, dass diese Dankbarkeit heute im Vordergrund steht und unseren Blick prägt. Wir können nicht ermessen, was in dieser Gemeinde fehlen würde, hätte es den Posaunenchor in diesen 100 Jahren nicht gegeben, hätte es euch nicht gegeben.

Und ja, manche haben vielleicht wenig Hoffnung für die Zukunft. Das gilt ja nicht nur für den Posaunenchor, sondern für die Kirche in Deutschland als Ganzes. Wir werden im Durchschnitt älter und weniger, manche sehen in unserem Licht nur noch eine flackernde Kerze, die bald ausgehen wird.

Aber diese Kirche glaubt an einen Heiland, der Tote wieder zum Leben erwecken kann. Von Lazarus sagten sie: „Herr, er stinkt schon.“ „Du brauchst dich nicht bemühen, da weht schon ein Hauch von Moder in der Luft, da hilft kein Salz mehr.“ Aber Jesus hat ihn herausgerufen aus dem Grab. Was für Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich. Was wir als unwahrscheinlich verwerfen, darüber lächelt Gott und schafft es immer wieder, uns zum Staunen und zum Lachen zu bringen, wenn sein Licht einen neuen Morgen bringt.

Ich weiß nicht, was hier in Öschelbronn sein wird, in hundert Jahren, am 14. Juli 2124. Vermutlich wird kaum einer von uns diesen Tag erleben. Aber eines ist sicher: Solange Himmel und Erde bestehen, wird es Menschen geben, die zur Ehre Gottes singen und spielen. Und solange es diese Erde gibt, gibt es auch die Verheißung: Egal wie viele oder wie wenig wir sind, egal, wie alt oder wie jung wir sind, Jesus Christus spricht: „Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.“

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus.

Amen.

(Bild: Anne Schäberle)